Wie alles begann
Seit 1992 lebten auf eieinem Gelände von ca. 5.000 qm in mehreren kleinen Häusern über 50 Kinder im Alter von wenigen Wochen bis zu 18 Jahren. Alle erhielten eine gesunde Grundverpflegung, ärztliche Versorgung und viel Zuwendung. Auch die Ausbildung der Kinder und Jugendlichen hatte einen besonderen Schwerpunkt. Die schulpflichtigen Kinder hatten alle einen Schulplatz - dies ist nicht selbstverständlich in Brasilien - und erhielten im Heim zusätzlichen Förderunterricht. In den fast 24 Jahren des Bestehens konnte für unsere Hilfe suchenden Kinder ein optimales Umfeld geschaffen werden.
Es war Platz zum Spielen, Lernen, für den Gartenanbau und für viele andere Aktivitäten mehr vorhanden. Viele freiwillige Helferinnen und Helfer und Mitarbeiterinnen, die nach brasilianischen Tarifen entlohnt wurden, kümmerten sich um die Kinder und das Tagesgeschehen. Die Kinder wurden fast ausschließlich durch die lokalen Jugendbehörden und Jugendgerichte oder auch durch die Jugendschutzstelle „SOS - criança“ zugewiesen.
Die Gründe dafür warensehr unterschiedlich:
- Vernachlässigung oder Misshandlung
- sexueller Missbrauch
- drogenabhängige oder alkoholsüchtige Eltern
- Tod der Eltern
- Säuglinge, die im Krankenhaus zurückgelassen werden usw.
Fast alle Kinder kamen aus sozial benachteiligten Familien, die keinerlei Laden Mittel hatten, ein Kind zu ernähren geschweige auszubilden. Das Kinderheim wurde in der deutschen Kolonie von São Paulo rasch bekannt. So kam es, dass viele Familien gute gebrauchte Kleidung oder Spielsachen, mit denen die eigenen Kinder nicht mehr spielten, Girassol spendeten. Auch aus Deutschland kamen Sachspenden. Wegen der schwierigen Zollsituation nicht im großen Container, sondern von Besuchern im zusätzlich mitgebrachten Koffer und vor Ort persönlich abgegeben. Als der Eigenbedarf im Girassol gedeckt war oder auch Kleidung für Erwachsene gespendet wurde, entstand die Idee, mit den übrigen Sachspenden einen kleinen "Nachbarschafts-Laden" aufzumachen. Leute aus der umliegenden Gegend - besonders aus der Favela - konnten nun gegen geringe Kosten ihren Bekleidungs- und Spielwarenbedarf decken. Neben den (geringen) zusätzlichen Einnahmen für die Arbeit von Girassol hatte der Laden zwei weitere, sehr wichtige Erfolge:
- Das Kinderheim Girassol bekam für die Leute aus dem Stadtteil eine ganz neue Bedeutung. Es wurde nicht mehr als Fremdkörper gesehen und misstrauische beäugt. Man konnte sich jetzt besser vorstellen, „was die da machen“, und hatte ja auch selbst etwas davon.
- Die größeren Kinder lernten spielerisch und ganz nebenbei Verkäufer und Verkäuferin, indem sie im Laden mithalfen. In einem Land wie Brasilien, mit keiner in unserem Sinne geregelten beruflichen Bildung, erhielten die Kinder wichtige Basisqualifikationen für einen späteren Einstieg in das Berufsleben.
Auch durch diese Erfahrung wurde der Leitung von Girassol immer deutlicher, dass das Ziel von Girassol, die Kinder und Jugendlichen zu einem eigenverantwortlichen Leben zu befähigen, nur durch eine gute berufliche Perspektive zu erreichen ist. Im Jahr 2002 erhielt das Kinderheim Girassol eine Spende von Sternstunden e.V. München. Mit dieser finanziellen Hilfe konnte ein Ausbildungsgebäude errichtet werden. Auf 875 qm Fläche werden nun Kurse wie Informatik, Alphabetisierung, Kochen, Nähen, Familienplanung, Elektriker, Musik, Handarbeit und Sport usw. angeboten werden. Die Girassol-Kinder und Kinder und Jugendliche aus den Elendssiedlungen im Umfeld von Girassol fanden dort Ausbildungsmöglichkeiten, um den Kreislauf der Armut für immer zu durchbrechen, fern von Drogen, Alkohol, Prostitution und Verbrechen.
Am 21. September 2003 fand die feierliche Eröffnung des neuen Ausbildungszentrums in Girassol statt. Neben den Kindern waren viele Freunde, Förderer und geladene Gäste anwesend. Für die Gründerin von Girassol, Angelika Pohlmann, war es sicherlich einer der bewegendsten Tage in ihrem Leben.
Einige der angebotenen Kurse hatten sich zu beruflichen Ausbildungen weiter entwickelt. Da es in Brasilien das zweigliedrige System der beruflichen Ausbildung nicht gibt, konnten Lehrgänge in beruflichen Qualifikationen von der SENAI (private brasilianische Institution des öffentlichen Interesses, übersetzt „nationaler Ausbildungsdienst für die Industrielehre“) anerkannt werden. Mit dieser Anerkennung erhielten die Teilnehmer/-innen nach Abschluss der Lehrgänge wertvolle Diplome. Diese Diplome sind der Schlüssel in das brasilianische Berufsleben; denn die boomende Wirtschaft in Brasilien sucht händeringend nach gut ausgebildeten Fachkräften.
Von der SENAI wurden im Ausbildungszentrum Girassol folgende Lehrgänge anerkannt:





Absolventen dieser Kurse haben damit beste Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Zur Zeit können ca. 200 Jugendliche aus Girassol und dem umliegenden Stadtteil diese Kurse besuchen. Die Teilnehmer/-innen, die nicht aus Girassol kommen, zahlen eine (für sie bezahlbare) Gebühr von 25-30 R$ (ca. 10 € bis 12 €) pro Monat.
Für Girassol sind diese Ausbildungen ein weiterer Schritt in die richtige Richtung, jungen Menschen eine positive Perspektive für Ihre Zukunft zu geben.
Viele Jahre war es ein Kinderheim bis die Fortführung in dieser Form unter den geänderten Bedingungen in Brasilien nicht mehr möglich war.
Girassol als Ort für einen guten Start ins Leben.
2014/2015 fand ein Umbau der Kindereinrichtung statt. So wollen wir auch erreichen, dass die Eltern für den Lebensunterhalt ihrer Familien sorgen können und ihre Kinder gut aufgehoben wissen.
Die am 1. Juli 2015 eröffnete neue Kindertagesstätte ist nun Betreuungs- und Lernumfeld für 40 Kinder aus dem schwierigen sozialen Umfeld im Stadteil Grajaú. Es gab eine Vielzahl von Bewerbungen zur Aufnahme in die Tagesstätte. Deshalb wollen wir weitere Gruppen eröffnen. Ziel für die nächsten Jahre ist es, bis zu 100 Kinder in der Tageseinrichtung zu betreuen und die Eltern in der Erziehung ihrer Kinder zu unterstützen. So wollen wir auch erreichen, dass die Eltern für den Lebensunterhalt ihrer Familien sorgen können und ihre Kinder gut aufgehoben wissen.Die Kleinen erleben eine verlässliche und zugewandte Förderung in einer geschützten und liebevollen Atmosphäre. Die Pädagoginnen und Helferinnen haben einen guten Kontakt zu den Eltern aufgebaut, die Kinder kommen regelmäßig; es wird gelacht, gespielt, gefeiert und gelernt. So wollen wir auch erreichen, dass die Eltern für den Lebensunterhalt ihrer Familien sorgen können und ihre Kinder gut aufgehoben wissen.
Quelle: Förderverein Girassol